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Mit Gitta Gsell über den Film Beyto

“Beyto ist eine filmische Adaption des literarischen Werkes «Hochzeitsflug» von Yusuf Yesilöz, erschienen 2011 im Limmat Verlag. Seine Romane kenne ich seit langem. Beim Buch «Hochzeitsflug» hatte ich sofort das Gefühl, dass sich der Stoff für einen Film eignet.“

Diese Worte gehören der Schweizer Regisseurin Gitta Gsell.

Die 16. Zürich Film Festival fanden vom 24. September bis 4. Oktober statt. Während des elftägigen Festivals wurden 165 Filme aus aller Welt gezeigt. Viele von ihnen trafen sich zum ersten Mal mit ihrem Publikum. Einer der zum ersten Mal gezeigten Filme war Beyto.

Der Film handelt von in der Schweiz lebenden Türken. Themen wie multikulturelles Leben, kulturelle Konflikte, sexuelle Vorlieben und Zwangsheirat im Film haben unser Interesse am Film erhöht. In diesem Zusammenhang führten wir ein Interview mit Gitta Gsell, der Regisseurin des Films, über den Film.

Gitta Gsell
Gitta Gsell

Frau Gsell, Sie haben sich mit «Beyto» ein heikles Thema vorgeknöpft: Ein junger Mann, Sohn türkischer Einwanderer, gerät in Konflikt mit seiner Familie, weil er schwul ist. Wieso diese Thematik?

Als ich das Buch «Hochzeitsflug» meines langjährigen Freundes Yusuf Yesilöz las, wurde mir schnell klar, dass diese Geschichte ein toller Filmstoff ist. Die Thematik ist brandaktuell: Menschen «im Sandwich» zwischen verschiedenen Kulturen. Zudem sind die Figuren sehr gut angelegt, denn alle sind in ihrem Tun verständlich. Man kann das Handeln der eingewanderten Eltern nachvollziehen, die sich nicht so schnell an eine neue Kultur anpassen können. Gleichzeitig versteht man aber auch den Sohn Beyto, der in der Schweiz aufgewachsen ist, eine völlig andere Kultur kennengelernt hat und selbst bestimmen möchte, mit wem er sein Leben verbringt.

 Es ist schwierig, Beytos Geschichte zur erzählen und dabei eine Kultur, in der Homosexualität verpönt ist, nicht als rückständig zu brandmarken. Wie sind Sie mit dieser Gefahr umgegangen?

Das war tatsächlich eine Gratwanderung, denn selbstverständlich liegt es mir absolut fern, eine Kultur zu verurteilen. Gleichzeitig darf die Problematik aber auch nicht verschwiegen werden. Mir war es wichtig aufzuzeigen, dass nicht nur Beyto und die Generation der Kinder unter der Situation leidet, sondern dass sich auch die Eltern im Clinch befinden. Im Verlauf der Geschichte beginnen sie, ihren Sohn besser zu verstehen. Gleichzeitig droht ihnen der Ausschluss aus der Community, wenn nicht nach alten Traditionen gelebt wird. Ein Teufelskreis. Und zwar für alle. Denn alle stehen irgendwie unter Zugszwang.

In Ihrem Film nehmen Sie den Fall der Homosexualität einseitig. Das Buch wird jedoch von beiden Familienfronten erzählt. Wäre es nicht ausgewogener, wenn Sie auch über die Reaktionen von Mikes Familie auf Homosexualität nachdenken würden?

Beyto

Mike erzählt ziemlich am Anfang vom Film, dass er sich mit seinen Eltern total zerstritten hat. Denn diese gehören der Freikirche an, einer religiösen Gemeinschaft, die Homosexualität nicht akzeptiert. Da Beyto die Hauptfigur in der Film-Geschichte ist, erzählen wir die Ereignisse aus seiner Sicht. Wir bleiben in jeder Szene emotional sehr nahe bei Beyto und erleben mit ihm die Entwicklung in der Geschichte. Wir schweifen dabei weder in die Familie von Mike, noch in diejenige von Seher.

Wie beurteilen Sie als Regisseurin den Schweizer Ansatz für homosexuelle Beziehungen? Sind sie so konservativ wie die Türken? Oder sind sie sehr offen für homosexuelle Beziehungen?

Ich glaube, dass es in der schweizerischen wie in der türkischen Gemeinschaft Toleranz gibt und homosexuelle Beziehungen akzeptiert sind. Genauso wie es Schweizer und Türken gibt, die diese ablehnen. In einer patriarchalischen Gesellschaft wird die Familie als Struktur oft hochgehalten, da andere Lebensformen, sei es die Emanzipation der Frau, sei es Akzeptanz für LGBT (gay community), etc. das Patriarchat in seinen Grundfesten durcheinanderbringt.

Kann man sagen, dass es in dem Film auch um Integration geht?

Im Film Beyto geht es in erster Linie um Integration. Der Film beleuchtet eine aktuelle Problematik. Die von der westlichen Gesellschaft über Jahrhunderte erkämpften Freiheiten und Toleranz, werden durch Migranten aus patriarchalischen Gesellschaften relativiert. «Beyto» thematisiert dieses Spannungsfeld ohne Schuldzuweisung. Dabei geht es um individuelle Lebensmuster, die sich innerhalb eines Spannungsbogens zwischen Normen, Ideologien und Wertvorstellungen behaupten müssen.

Beyto

Es gibt einige ziemlich mutige Sexszenen in Ihrem Film. Welche Schwierigkeiten hatten Sie während der Dreharbeiten?

Intime Liebesszenen zu filmen ist immer schwierig. Wir haben die Szenen einstudiert und genau choreographiert. Solche Szenen sind letztendlich sehr technisch – was genau ist im Bild, wo genau steht die Kamera, wie können wir filmen, dass es wie eine Liebesszene aussieht, denn in Realität ist es ein tänzerischer Ablauf: Hand hier, Kopf dort, Bewegung nach rechts… etc. Es sind Lampen, Mikrophone, Kamera um Menschen, die gar nie nackt sind.

Im Gegensatz zum Buch haben Sie Ihren Film mit einem Happy End beendet. Warum ist das so?

Es war mir wichtig, dass Beyto sich im Laufe der Geschichte entwickelt, Verantwortung übernimmt und erwachsen wird. Er schaut nicht nur für sich sondern muss eine Lösung finden, die auch für Seher und Mike akzeptabel ist. Trotzdem – als Happy-End würde ich das nicht bezeichnen. Er verliert den Halt in seiner türkischen Gemeinschaft, verlässt seine Eltern und muss einen ganz neuen Weg finden, um sein Ich zu leben, ohne seine Identität und seine kulturellen Wurzeln zu verlieren.

Beyto

In vielen Teilen Ihres Films gibt es türkische Dialoge. Wie haben Sie die türkischen Dialoge kontrolliert? Wie haben Sie so viele Türken zusammengebracht?

Alle Hauptdarsteller sind zweisprachig, entweder deutsch/türkisch oder englisch/türkisch. Die türkischen Dialoge hatte ich mit der Zeit intus und meine Assistentin Aynur Demir hat laufend kontrolliert, dass sie stimmen. Egal welche Nation, Menschen machen bei einem Film gerne mit, vor allem wenn sie den Inhalt als wichtig empfinden.

Wann wird Ihr Film in die Kinos kommen?

Der Film läuft ab 29. Oktober in den Kinos der Deutschschweiz. Ab 15. Oktober wird er während einer Woche täglich als Vorpremiere im Lunchkino im Zürcher Kino Le Paris zu sehen sein.

Beyto

Einige der Schauspieler im Film; Burak Ates (Beyto), Dimitri Stapfer (Mike), Ecem Aydin (Seher), Beren Tuna (Narin), Serkan Tastemur (Seyit), Zeki Bulgurcu (Metin)

Bericht: Aydın Yıldırım

Fotos: Frenetic Films

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