Deniz Yüksel

Integrieren wir uns miteinander! – Was bedeutet eigentlich “Integration”?

Deniz Yüksel

Zürich Üniversitesi Araştırma Görevlisi

deniz.yueksel@aoi.uzh.ch

 

 

 

Der immer wieder in unterschiedlichen Zusammenhängen auftauchende Begriff “Integration” ist manchen Menschen vielleicht noch nicht geläufig. Gerade beispielsweise in der Türkei spielte Integration in der Politik bisher eine weniger bedeutende Rolle, da die Einwandererzahl verhältnismässig niedrig war. Rückkehrende aus europäischen Ländern, vor allem aus Deutschland, Migranten aus Nachbarstaaten aber auch die aktuelle und brisante Flüchtlingsthematik könnten dies schon bald ändern.

In der Schweiz gehört das Thema Integration seit geraumer Zeit zu den zentralen Elementen der Innenpolitik. Ein interessierter und kritischer Blick auf die Thematik kann daher nicht schaden. Oft wird Migranten mit einer Erwartungshaltung oder gar mit Vorwurf begegnet: “Integrier dich mal!” oder “Wenn sie in unser Land kommen, müssen sie sich uns anpassen.”

Was bedeutet also Integration? Bildlich kann man sich dazu eine sich bewegende Masse vorstellen, zu der einige einzelne oder mehrere Elemente hinzukommen. Damit die neu hinzu kommenden Elemente aufgenommen werden können, muss innerhalb der Masse eine entsprechende empfangsbereite “Atmosphäre” herrschen. Gleichzeitig müssen diese Elemente Bereitschaft zeigen, sich in die Masse zu integrieren. Diese Idee ist leicht auf eine Gesellschaft übertragbar: Die Mehrheitsgesellschaft muss in vielerlei Hinsicht offen gegenüber Einwandernden sein, also Wohn- und Arbeitsplätze zur Verfügung haben, gesetzliche Vorkehrungen treffen etc. Menschen, die einwandern sollten bereit sein, sich ein Stück weit auf die gesellschaftlichen Bedingungen einzulassen, und ihren Teil der Gesellschaft beizutragen.

Für die Schweiz wurde vom Bund und Kantonen festgelegt, dass “Integration” ein Prozess ist, an dem mehrere Beteiligte teilhaben: “Integration” ist laut Schweizerischer Eidgenossenschaft “ein gegenseitiger Prozess, an dem sowohl die schweizerische als auch die ausländische Bevölkerung beteiligt sind.” (www.bfm.admin.ch) Dabei wird die Offenheit der Mehrheitsgesellschaft, ein Klima der Anerkennung und der Abbau von diskriminierenden Schranken vorausgesetzt.

Von einwandernden Menschen wird die “Respektierung der Grundwerte der Bundesverfassung”, die “Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung”, der “Wille zur Teilhabe am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung” und die  “Kenntnis einer Landesprache” (Deutsch, Französisch oder Italienisch) erwartet.

Dabei werden zur Durchführung dieser Ziele alle staatlichen Ebenen in Zusammenarbeit mit Sozialpartnern, Nichtregierungs- und Ausländerorganisationen in die Pflicht genommen. Man kann also von einer aktiven Einbeziehung bestimmter Menschen oder Gruppen in die Gesamtgesellschaft sprechen. Andere Menschen gelten zwar auch als “integrationsbedürftig”, wie zum Beispiel Menschen mit Behinderungen, psychischen Problemen oder Arbeitslose. Ich bleibe in meinem Beitrag aber bei der Einbeziehung von Menschen mit unterschiedlicher Migrationsgeschichte.

So weit, so gut. Um bei dem Bild von vorher zu bleiben: Innerhalb der sich bewegenden Masse herrscht ein Zustand, der als “normal” bezeichnet wird. Das Problem ist nun, dass der Zustand der Normalität, der angeblich innerhalb einer Gesellschaft herrscht in Realität eigentlich nicht existiert. Damit ist gemeint: Was als normal gilt, ändert sich fortlaufend und kann deswegen nicht fixiert werden. Vor 30 Jahren war beispielsweise das Rauchen von Zigaretten noch fast “in” und galt als “normal”, während heute das Rauchen strikt reglementiert und als gar nicht mehr “normal” gilt. An dieser angenommenen Normalität orientiert sich allerdings Integration. Das heisst: Menschen, die dieser Normalität nahe kommen, gelten als integriert. Aufgrund der Unklarheit des Begriffs muss kritisch geschaut werden, was unter Integration jeweils genau verstanden wird.

Die Schweiz legt beispielsweise fest, dass Integration “wirtschaftliche, soziale und kulturelle Einbindung aller Gesellschaftsmitglieder” ist “mit dem Ziel der Herstellung von Chancengleicheit.” (KIP – Kantonales Integrations Programm des Kantons Zürich). Der Kanton Zürich hat in dem Zusammenhang im Auftrag des Bundes ein Programm erarbeitet, das in Kooperation mit Gemeinden und weiteren Institutionen ebendiese Ziele verfolgt. Es wird festgelegt, dass Chancengleichheit durch die Förderung bestimmter Themenbereiche auf unterschiedliche Weise erzielt werden kann: Diese sind 1. Information und Beratung, 2. Bildung und Arbeit, 3. Verständigung und gesellschaftliche Integration, 4. Gesundheit, 5. Wohnen, öffentlicher Raum und Sicherheit.

Dieses Vorhaben klingt in jedem Fall sinnvoll. Vor allem der Miteinbezug von Organisationen und Vereinen nicht-schweizer Herkunft tritt immer wieder auftauchenden Vorwürfen entgegen, dass Integration “nur” von der Mehrheitsgesellschaft und vielleicht sogar noch “von oben herab” definiert werde. Zumindest wird dadurch das latente Gefühl der sozialen Platzanweisung geschwächt. Hingegen wird das Gefühl der Teilhabe und vor allem der Möglichkeit zur Teilhabe gestärkt.

Die Welt und die Menschen darauf bewegen sich immer weiter. Daher sind Integrationsprozesse Prozesse, die niemals abgeschlossen sein werden. Gleichzeitig sind sie aber in pluralen Gesellschaften unabdingbar. Die aktive Beteiligung der Mitglieder einer Gesellschaft und vor allem auch der Menschen mit Migrationsgeschichte ist eine hinreichende Voraussetzung dafür, dass diese Prozesse zur Zufriedenheit der Mehrheit verlaufen.

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